Früher kritisch beäugt in der Glasindustrie, ist sie aus der modernen Fertigung nicht mehr wegzudenken. Lasertechnologie ist wartungsarm und kostengünstig. Das macht sie zudem wirtschaftlich attraktiv. Ein Beispiel ist die Bearbeitung ultradünner Gläser für Displays. Auf mechanischem Weg ist es nicht möglich, diese Gläser mit teilweise winzigen Ausschnitten zu schneiden. Damit sich der Mobilfunkempfang in Gebäuden merklich verbessern kann, helfen Laser dabei, beschichtete Isolierglaseinheiten mit feinlinigen Mustern aufzubrechen, ohne dass sich die Optik der Gläser wesentlich verändert. Laser ermöglichen selbst thermische Prozesse. Glasbeschichtungen können auf mehrere hundert Grad erwärmt und damit verändert werden, ohne dabei das Glas selbst diesen Temperaturen auszusetzen. Insbesondere bei der Weiterverarbeitung thermisch vorgespannter Gläser bietet diese Technologie große Vorteile.
Der Einsatz von Lasertechnologie ermöglicht es, CO2 einzusparen, wenn alternative Energien eingesetzt werden, sogar zu vermeiden. Denn das energieintensive Aufbereiten von Prozesswasser nach zusätzlichem Schleifen entfällt ebenso wie das Herstellen des Schneid- und Trennequipments mit hohem Materialverschleiß.
Der VDMA Industriearbeitskreis Forschung & Technologie widmete sich diesem Thema in seiner letzten Sitzung im Februar. Verschiedene Unternehmen stellten im Rahmen der Veranstaltung ihre Anwendungen vor.
Die Flabeg Automotive Germany GmbH in Furth im Wald bietet Lösungen für unterschiedlichste Glas- und Spiegelanwendungen in der Glasveredelung an und setzt dafür Laser zum Schneiden und Bohren ein. Das Laserschneiden erfolgt in zwei Stufen. Zunächst mit der Perforation entlang der künftigen Trennlinie, dann mit einen Riss entlang der Perforation, damit das Glas abgesprengt werden kann. Das Übereinanderstacken der Filamente ermöglicht dieses Verfahren bis zu einer Glasdicke von 12 Millimetern und einer Geschwindigkeit bis zu 500 mm/s, allerdings nur bei flachen Gläsern.
Das Laserbohren hingegen ist ein einstufiger Prozess, bei dem der Laserfokus durch die Glasdicke geführt wird. Dieser Prozess bietet mehr Gestaltungsmöglichkeiten für das Glas, beispielsweise für leicht gekrümmte Gläser. Bei beiden Prozessen erfolgt der Energieeintrag durch nichtlineare Prozesse. Dies führt zu räumlich und zeitlich stark lokalisierten Strukturänderungen im Glas, sodass es außerhalb des Fokus nicht beeinträchtigt wird.
Auch die Saint-Gobain Gruppe setzt verschiedene Verfahren in ihrer Produktion ein, besonders in den Segmenten Automotive Glass und Building Glass. Die dort hergestellten Glasprodukte müssen spezielle Funktionen sicherstellen, so soll Wärmeschutz bei gleichzeitig hoher Lichttransmission gewährleistet sein. Manche der aufgebrachten Schichten haben weitere Aufgaben. Wenn sie elektrisch leitfähig sind, lassen sie sich beheizen und damit gut als Windschutzscheiben einsetzen. In der Regel erfolgt die Beschichtung mit CVD- oder PVD-Verfahren.
Eine silberbasierte Low-E-Beschichtung beispielsweise ist im unbehandelten Zustand amorph. Erwärmt man sie, kristallisiert sie. Der Wärmeschutz und die Lichttransmission nehmen zu. Die Herausforderung liegt darin, nur die Low-E-Schicht einer Wärmebehandlung zu unterziehen. Klassische Verfahren, welche die gesamte Scheibe erwärmen, sind somit ausgeschlossen. Die beschichtete Scheibe fährt nun unter einer nur 100 µm schmalen Laserlinie hindurch. Die Schicht wird dabei auf bis zu 500 °C erhitzt, während die Glastemperatur bei maximal 150 °C bleibt.
Bild: Copyright Saint-Gobain
Die Schott AG aus Mainz hat ebenfalls in den vergangenen Jahren umfangreiche Erfahrungen mit diversen Laserprozessen gesammelt, insbesondere in der Verarbeitung ultradünner Gläser. Ultrakurzpulslaser ermöglichen es zum Beispiel, zunächst in einer größeren Geometrie zu härten, zu bedrucken und zu beschichten und erst im letzten Schritt in viele kleine einzelne Artikel zu separieren. Das stellt hohe Anforderung an das Trennverfahren: Saubere Schnitte ohne Partikelbelastung und eine Kantengüte, die es gestattet, den geschnittenen Artikel sofort im Endprodukt einzusetzen, sind Bedingung. Anwendungsgebiete sind Produkte in der medizinischen Diagnostik oder dekorative Elemente oder Markierungen, um Produkte nachverfolgen zu können.
Schott nutzt ferner das Laser-Micro-Bonding in seiner Produktion, eine Technologie zum Verschweißen unterschiedlicher Materialien, die sich besonders für medizinische oder technische Miniaturanwendungen anbietet. Die dabei im Laserfokusbereich entstehende Wärme ist auf einen engen geometrischen Raum begrenzt. So wird das umliegende Material nicht geschädigt oder beim Verschweißen verschiedener Materialien mit dem Glas der unterschiedliche Wärmeausdehnungskoeffizient nicht zum begrenzenden Faktor.
Bild: Schott AG
Das Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (ISE) forscht an funktransparentem Isolierglas. Beschichtete Gläser sind als Bestandteil von Gebäuden nicht mehr wegzudenken. Sie sorgen gleichzeitig für Licht und beeinflussen den Energiehaushalt des Gebäudes positiv. Ganzflächige Beschichtungen haben leider den Nachteil, dass sie nicht nur Wärmestrahlung reflektieren, sondern auch die elektromagnetische Strahlung, die für den Mobilfunk und Datendienste genutzt wird – mehr noch als Stahlbeton. Das ISE sieht eine Lösung darin, die Schicht in Segmente zu strukturieren, indem ein Laser die Beschichtung in feinen Linien abträgt. Für einen verbesserten Funkwellenempfang in den verschiedenen Frequenzbändern ist die Größe der Segmente relevant. Der GSM-Standard mit einer Frequenz von beispielsweise 900 MHz erfordert Segmente, die deutlich kleiner sind als die Wellenlänge von etwa 33 cm
(l /4= 8,3 cm). 5G Anwendungen im Bereich von 3,4 GHz erfordern Segmente, die deutlich kleiner als 8,8 cm sind (l /4=2,2 cm). Dabei soll gleichzeitig der Wärmeschutz erhalten bleiben. Verschiedene Geometrien der Segmentierung zeigten eine deutliche Verbesserung für die heute relevanten Frequenzbereiche. Gleichwohl kann die Funkwellen-Transmission nicht über alle Frequenzbereiche hinweg gleichmäßig erhöht werden, da eine Rastergröße immer feststeht.
Bild: Fraunhofer ISE
Die Corning Laser Technologies GmbH setzt verschiedenste Lasersysteme bei der Entwicklung von voll-automatisierten Produktionsanlagen ein, um vielfältige Prozessschritte durchzuführen. Neben ablativen Prozessen von Gläsern oder Beschichtungen, beispielsweise bei Bohr- oder Chamfer-Anwendungen, werden insbesondere Schneid- und Vereinzelungsschritte mit Lasern realisiert. Diese Produktionstechnik punktet dabei nicht nur durch die hohe Kantenqualität - sowohl hinsichtlich Kantenstärke als auch Oberflächenrauigkeit - sondern erlaubt mit exakter Strahlführung eine hohe Absolutgenauigkeit der vereinzelten Teile. Entsprechend gut steigern Laser die Qualität in der Herstellung von Glasprodukten. Weitaus bedeutender ist allerdings das Potenzial, möchte man gänzlich neue Marktsegmente erschließen, die mit konventionellen Methoden nicht oder nur mit wesentlich höherem Aufwand möglich sind. Dazu zählen unter anderem die Bearbeitung ultradünner Gläser (t < 50μm), chemisch gehärteter Gläser als auch Gläser mit dekorativen/technischen Veredelungen und Beschichtungen. Consumer Electronics, Augmented Reality, Automotive und Architektur sind die wesentlichen Einsatzgebiete.
Voraussetzung für den wirtschaftlichen Einsatz eines Lasersystems in der Produktion ist jedoch die individuelle Konfektionierung der Produktionsmaschinen auf das jeweilige Produkt. Neben dem fundamentalen Verständnis für die Lasermaterialwechselwirkung bedarf es großen Know-hows bei der technischen Umsetzung der Prozesssteuerung und -kontrolle. Hierzu sind industrietaugliche 24/7-Anlagen mit hohem Automatisierungsgrad und tiefer Integrationsmöglichkeit gefordert, welche maximale Auslastungen der Lasersysteme erreichen und damit kürzeste Taktzeiten ermöglichen. Für höchste Effizienz müssen Komponenten zum Strahlformen und -transportieren sowohl auf das Produkt als auch auf das jeweilige Lasersystem angepasst werden. Cornings konsequente Weiterentwicklung der Laserbearbeitungstechnologie ermöglicht es mittlerweile, auch dreidimensional geformte Glaswerkstücke prozesstechnisch sicher umzusetzen und weitere Möglichkeiten bei Design und Funktion zu verwirklichen.
Bild: Corning
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Pressekontakt: Martina Scherbel, martina.scherbel@vdma.org, 069 6603-1257
Der VDMA vertritt mehr als 3400 deutsche und europäische Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus. Die Industrie steht für Innovation, Exportorientierung und Mittelstand. Die Unternehmen beschäftigen rund vier Millionen Menschen in Europa, davon mehr als eine Million allein in Deutschland. Der Maschinen- und Anlagenbau steht für ein europäisches Umsatzvolumen von rund 800 Milliarden Euro. Im gesamten Verarbeitenden Gewerbe trägt er mit einer Wertschöpfung von rund 270 Milliarden Euro den höchsten Anteil zum europäischen Bruttoinlandsprodukt bei.